Walzen Orchestrion

Dieses Walzen-Orchestrion wurde um 1900 in Deutschland gebaut. Es gibt leider keinen Hinweis zum Hersteller. Nach Angaben des Händlers Franco Baiardi stammt es aus dem Schwarzwald, wo es wohl in einem öffentlichen Lokal stand. Im verstopften Münzkanal befanden sich nebst einer Sicherheitsnadel, mehrere Ein-Pfennig-Stücke aus den Kriegs-Jahren 1940-1943. Das Instrument dürfte somit also im 2.Weltkrieg noch in Betrieb gewesen sein.

Das Jugendstil-Holzgehäuse ist mit Spiegeln und farbigem Glas reich verziert. Es hat die Masse 231 cm x 109 cm x 56 cm. Tonträger sind drei Stift-Walzen aus Holz mit je sechs Musikstücken; 77 cm lang mit einem Durchmesser von 26 cm. Der Antrieb des Spielwerks erfolgt durch ein etwa 100 Kg schweres Stück Gusseisen, welches an einem Flaschenzug aufgehängt ist. Das Spiel wird durch Einwerfen einer Münze ausgelöst. Im Orchestrion sind folgende Instrumente: Klavier, Mandoline, Xylophon, Kastagnetten, Tschinelle und Trommel.

Bereits Mozart und Haydn schrieben im 18.Jahrhundert Kompositionen für mechanische Musikinstrumente, die damals beliebten Flötenuhren. 1805 schuf Johann Nepomuk Mälzel, Erfinder des Metronoms, mit seinem „Panharmonikum“ eine Sensation. Beethoven komponierte für dieses Instrument, welches ein ganzes Orchester nachahmen konnte, seine grosse Schlachtmusik „Wellingtons Sieg“. Das „Panharmonikum“ fiel im 2.Weltkrieg leider einem Bombenangriff zum Opfer.

Im 19.Jahrhundert war Michael Welte aus Freiburg im Breisgau, Vater des Erfinders von „Welte Mignon“ ein Meister des Orchestrionbaus. Um die Jahrhundertwende waren dann die beliebten Walzen-Orchestrione weit verbreitet, die zum grössten Teil in Leipzig, Prag und im Schwarzwald hergestellt wurden. Im Gegensatz zum damals sehr populären Künstlerklavier wie dem „Welte-Mignon“, musste das Orchestrion keine künstlerischen Ansprüche erfüllen. Gefragt waren Rhythmus und Lautstärke, wollte man damit doch einfach eine Tanzkapelle in öffentlichen Lokalen ersetzen.

Nach 1910 wurden die Walzen-Orchestrione von pneumatischen Instrumenten mit gelochten Papierstreifen abgelöst. Damit wurde das Repertoire viel grösser und das mühsame Auswechseln der schweren Holz-Walzen entfiel.